Vom Scheitern des Glücksspielstaatsvertrages
Geringe Gewinne, weniger Steuern, kein Schutz vor Spielsucht
Eine Expertenrunde bei der Friedrich-Naumann-Stiftung diskutierte die Zukunft der deutschen Glücksspiellandschaft: Lotteriegesellschaften schütten wegen wegbrechender Einnahmen weniger Mittel an gemeinnützige Organisationen aus, Unternehmer werden ruiniert, der Staat nimmt weniger Steuern ein – und die Spielsüchtigen zocken weiter, in Spielhallen und Hinterzimmern. Ebenso verheerend wie die wirtschaftlichen Folgen des 2008 geschlossenen Glücksspielstaatsvertrages bewertete die Runde aus Unternehmern, Juristen und Managern in Bremen die juristische Konstruktion, mit der die Lotto-Toto-Gesellschaften zu Quasi-Monopolisten auf dem Wettspiel-Markt gemacht worden waren.
Sinkende Einnahmen
Dass selbst die Monopolisten seit Inkrafttreten des Staatsvertrages sinkende Einnahmen verzeichnen, liegt an dem Verbot von Glücksspielen im Internet, dem auch virtuelle Lotto-Toto-Scheine zum Opfer gefallen sind. Vor allem jüngere Menschen haben offenbar gern via Website ihre Kreuze gemacht. Dass den gemeinnützigen Monopol-Wettanbietern Umsätze und Gewinne verloren gehen, bestritt auch der Geschäftsführer der Bremer Toto und Lotto GmbH, Michael Barth, nicht. Allerdings: Auch der regelwütigste Bundesrat kann das staatliche Wettmonopol nicht absolut gestalten. Aufgrund eines bis heute geltenden Reichsgesetzes aus Weimarer Zeiten dürfen – als private Unternehmen aufgestellte – Pferdewetten-Buchmacher weiterhin geschäftlich tätig sein, während andere private Wettspiel-Unternehmen dem Bestreben der Bundesländer zum Opfer fielen, Wetteinnahmen allein staatlichen Monopolisten zu genehmigen.
Schlechte Noten
Dass das Staatssäckel, aus dem bekanntlich Ausgaben und Investitionen für die Allgemeinheit finanziert werden, nicht voller wird, liegt schlicht daran, dass nur funktionierende, nicht aber verbotene Unternehmen Steuern zahlen.
Sowohl aus wirtschaftlicher wie rechtssystematischer Sicht stellten Rechtsanwalt Markus Maul, Präsident des Verbandes der europäischen Wettunternehmer, Ex-Werder-Bremen-Geschäftsführer für Marketing und Finanzen Manfred Müller und der Wirtschaftswissenschaftler Luca Rebeggiani vom Center for Sports Management der Leibniz Universität Hannover den Bundesländern schlechte Noten aus.
Was ist erlaubt?
Wirtschaftsexperten gehen nach Angaben des Deutschen Lottoverbandes derzeit davon aus, dass die Bundesländer bis zum Ende der vierjährigen Laufzeit des Glücksspielstaatsvertrages voraussichtlich rund 11 Mrd. Euro Umsatz und damit 5 Mrd. Euro an Steuern und Zweckerträgen einbüßen werden.
Michael Barth mochte sich den politischen Bewertungen seiner Diskussionspartner zwar nicht anschließen, bestätigte allerdings die meisten der dargelegten Zahlen. Eingeladen hatte die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNS) in Zusammenarbeit mit der Liberalen Gesellschaft Bremen. Auch die ordnungspolitische Frage, wieso „normale“ Wettunternehmen verboten, de-facto-Glücksspiel-Fernsehsender und -sendungen aber erlaubt sind, konnte die Runde nicht beantworten.
Löchrig
Monopole, so stellte Rechtsanwalt Horst-Jürgen Lahmann, als Vorsitzender der Liberalen Gesellschaft Bremen Gastgeber der Diskussionsrunde im Bremer Presseclub, treffend fest, seien durchaus vertretbar, zuweilen sogar geboten. Dies gelte aber nur dann, wenn die Allgemeinheit von Monopol-Strukturen profitiere. Echten Nutzen des löchrigen Wettmonopols konnte indes niemand erkennen.
Uwe Woltemath, Vorsitzender der FDP-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft, plädierte ergo für mehr politische und gesetzgeberische Kreativität. Er forderte klare Regelungen für freies Unternehmertum auch auf dem Wettmarkt und behielt dabei die Interessen der Verbraucher im Blick: Ihnen müssten gesetzliche Regelungen die Sicherheit bieten, Gewinne gegebenenfalls einklagen zu können. Forderungen, denen sich auch Wett-Lobbyist Maul anschließen konnte.
Modelle
Dass die Bremer mit ihrer Kritik am geltenden Staatsvertrag nicht allein sind, zeigten Äußerungen des schleswig-holsteinischen CDU-Mannes Thomas Stritzel, der sich seit Jahren von Kiel aus mit der Materie Glücksspiel politisch befasst und für den schleswig-holsteinischen Gesetzesentwurf plädierte. Dem schloss sich auch der Münchener Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach an. Es müsse, so Hambachs Forderung zum Ende der Veranstaltung, im Bereich Online-Glücksspiel eine europäische Lerngemeinschaft entstehen, da es bereits gute Modelle bei den europäischen Nachbarn gebe: „Die Beispiele England, Italien und Frankreich beweisen, dass legalisierte Märkte besser kontrollierbar sind. Ein staatliches Monopol verringert nicht zwangsläufig Manipulation und Suchtpotenziale.“
Weniger starr
So sei insbesondere der Hoyzer-Skandal ein Beleg für das Versagen der staatlichen Anbieter, folgert der Experte für EU-weites Glücksspielrecht. Mit entsprechenden gesetzlichen Initiativen der Länder sollen die starren geltenden Regelungen nun aufgebrochen werden. Ernsthaft Spielkranke, so ist zu vermuten, scheren sich ohnehin wenig um staatliche Verbote in deutschsprachige Länder. Oder um es mit klaren Worten Manfred Müllers zu sagen: „Als man in England Sportwetten verboten hatte, stellte man fest, dass die Süchtigen eben auf den Fidschi-Inseln spielen.“