EuGH erzwingt EU-weite öffentliche Ausschreibung aller Casino-Lizenzen

Nachdem der EuGH das Casino-Monopol gekippt hat, stehen ausländische Interessenten für Lizenzen Schlange. Doch das Ministerium spielt auf Zeit.

Es lief alles immer sehr diskret ab. Auch in den Jahren 1998 und 2001 noch, als Österreich schon längst EU-Mitglied war. Die Vergabe der Casino-Lizenzen war stets eine bilaterale Angelegenheit zwischen dem Finanzministerium und den Casinos Austria. Andere Betreiber wurden nicht einmal in Betracht gezogen. Von Transparenz keine Spur, über die bereits erfolgte Verlängerung der Lizenz erfuhren Interessierte bestenfalls aus der Zeitung.

Seit letzter Woche ist nun alles ganz anders. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat auf Ansuchen des deutschen Casino-Betreibers Ernst Engelmann entschieden, dass auch Nichtösterreicher bei der Vergabe der Lizenzen berücksichtigt werden müssen und dass bei diesem Verfahren eine gewisse Transparenz einzuhalten ist. Für den Vergaberechtsexperten Stephan Schmalzl (Graf & Pitkowitz) ist klar: „Jetzt gehört eine baldige regelkonforme Neuausschreibung aller Glücksspielkonzessionen her.“ Sprich: eine EU-weite öffentliche Ausschreibung – und zwar aller Lizenzen, auch jener, die zuletzt zugunsten der Casinos Austria verlängert wurden.

Zögerliches Ministerium

Einzig im Finanzministerium ziert man sich noch etwas. Frühestens nächstes Jahr will man sich der Materie widmen. Und ob das Vergabegesetz zur Anwendung kommt, ist längst nicht geklärt. Die Rechtsexperten im Ministerium prüfen, wie die „transparente Interessentensuche“ aussehen könnte, heißt es aus dem Büro des zuständigen Staatssekretärs Reinhold Lopatka.

Doch interessierte Betreiber lassen sich vom zögerlichen Vorgehen der Regierung nicht abschrecken. Bis zu dieser Woche sollen bereits 36 Interessenbekundungen für die Casino-Lizenzen aus dem In- und Ausland im Finanzministerium eingelangt sein. Sie alle bekommen das Gleiche zur Antwort: „Die Überlegungen des Bundesministeriums für Finanzen zu einer Interessentensuche im Zusammenhang mit einer möglichen Erteilung von Glücksspielkonzessionen sind noch nicht abgeschlossen.“

Ernst Engelmann ist bei den 36 trotzdem dabei: „Ich werde mich sicher für eine der 15 Casino-Lizenzen bewerben.“ Finanzieren will er das aber nicht allein, er hat Investoren aus dem „europäischen Raum“ hinter sich. Auch die Casinos Austria haben sich bereits geoutet. Sie werden sich für alle 15 Lizenzen bewerben, bestätigte Chef Karl Stoss. Einer der Fixstarter für mehrere Konzessionen ist auch der niederösterreichische Automaten-Riese Novomatic. Ein klares „Ja“ kommt auch von Century-Casinos-Boss Peter Hötzinger: „Wir sind an einer oder mehreren Casino-Lizenzen interessiert.“

Aber nicht nur inländische Betreiber haben ein Auge darauf geworfen. So bestätigt etwa der Schweizer Betreiber Swiss Casinos auf FORMAT-Anfrage: „Das werden wir uns natürlich genau anschauen.“ Die deutsche Gauselmann-Gruppe will sich zwar nicht bei Spielbanken engagieren, schließt aber eine Bewerbung für eine – ebenfalls EU-weit auszuschreibende – Automatenlizenz nicht aus. Als weitere Interessenten werden in der Branche genannt: Casino Baden-Baden (deutschsprachige Länder), Hit-Gruppe (Slowenien), Princess (Türkei), Olympic (Estland) sowie Betreiber aus Großbritannien und den USA.

bwin winkt ab

Andere prominente Glücksspielkonzerne winken hingegen ab: Sportwettenanbieter bwin etwa, der dick im Online-Casino-Geschäft ist, hat andere Prioritäten. „Sollte es zur Vergabe einer eigenen Online-Lizenz kommen, wären wir interessiert, sonst nicht“, sagt eine Sprecherin. Dass diese Online-Lizenz womöglich noch heuer ins Glücksspielgesetz aufgenommen wird, wird in der Branche nicht ausgeschlossen. Auch der britische Konkurrent William Hill, der erst kürzlich am österreichischen Markt gestartet ist, will sich ausschließlich dem Online-Bereich widmen.

Die hohe Zahl der Interessenten steht in Widerspruch zur sinkenden Zahl der Casino-Besucher in Österreich, verbunden mit sinkenden Umsätzen und Gewinnen der Casinos Austria. „Wir wollen zeigen, dass wir es besser können“, meint ein Interessent, der anonym bleiben will. Aber auch wenn die Vergabebedingungen längst noch nicht bekannt sind, ist schon jetzt eines klar: Nicht jeder kann eine Lizenz bekommen. Denn das Grundkapital muss mindestens 22 Millionen Euro betragen, zehn Prozent davon müssen in Form einer Sicherstellung beim Finanzministerium hinterlegt werden. Um das nötige Grundkapital zusammenzukriegen, wollen sich deshalb einige Interessenten zusammenschließen.

Während also viele schon an die Zukunft denken, wollen manche noch mit der Vergangenheit abrechnen. Der steirische Anwalt Christian Horwath etwa, der selbst sieben Interessenten vertritt, bereitet eine Schadenersatzklage gegen die Republik vor: „Wir werden eine Amtshaftungsklage einbringen.“ Denn nach dem Engelmann-Urteil sei klar, dass die Lizenzen an die Casinos zu Unrecht vergeben wurden. Eingeklagt werden sollen vorerst zwischen 300.000 und 400.000 Euro. Auch gegen die Casinos Austria selbst werde eine Schadenersatzklage geprüft. Rechtsexperten halten derartige Klagen, vor allem jene gegen die Republik, für chancenreich.

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