Regelungskompetenz der Länder im Glücksspielbereich

Von Rechtsanwalt Heinrich Sievers, Ministerialrat a.D.

Nach einer Pressemeldung der CDU- und der FDP-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein vom 9. Juni 2010 legten diese einen alternativen Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags vor, mit dem Ziel, „mindestens drei weitere Bundesländer zu finden, die unseren Kurs unterstützen“.

Diese Aussage gibt Anlass, sich mit der Frage zu befassen, welche Folgen es hat, wenn die Länder sich nicht wieder auf einen Glückspielstaatsvertrag verständigen.

Erinnert man sich daran, dass bereits im Vorfeld des geltenden Glücksspielstaatsvertrags das Landesparlament Schleswig-Holstein es zunächst einstimmig abgelehnt hat, sich daran zu beteiligen, um dem Glücksspielstaatsvertrag schließlich doch einstimmig zuzustimmen, relativiert sich allerdings die Bedeutung dieser Fragestellung. Trotzdem erscheint es lohnend, dieser Frage einmal nachzugehen.

Die Bundesrepublik deutschsprachige Länder ist ein Bundesstaat (Art. 20 Abs. 1 GG), in dem die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Aufgabe der Länder ist (Art. 30 GG). Die Länder haben auch das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht (Art. 70 Abs. 1 GG).

Glücksspielrecht wird bisher als Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung angesehen. Auf diesem Rechtsgebiet hat der Bund nach dem Grundgesetz nur bestimmte ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeiten nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG (zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus) und nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG (Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in den Bereichen Polizei und Verfassungsschutz). Eine Zuständigkeit für Rechtssetzung im Bereich Glücksspiel hat der Bund in diesem Bereich nicht.

Der Bund hat jedoch die konkurrierende Gesetzgebung für das Strafrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG). In diesem Bereich hat der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz auch Gebrauch gemacht, und zwar durch die Regelungen der §§ 284, 285 und 287 StGB und – wenig beachtet – durch die Regelungen der §§ 5 – 7 RennwettLottG. Diese Vorschriften lauten:

§ 6 RennwettLottG:
(1) Wer gewerbsmäßig zum Abschluß oder zur Vermittlung von Wetten auffordert oder sich erbietet oder Angebote zum Abschluß oder zur Vermittlung solcher Wetten entgegennimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft. Unter dieses Verbot fallen nicht Aufforderungen, Erbieten und Angebote der zugelassenen Wettunternehmer sowie der Personen, deren sich die Wettunternehmer mit Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde zum Abschluß und zur Vermittlung von Wetten bedienen, soweit diese Personen bei der Abwicklung von Wettgeschäften im Auftrag des Wettunternehmers handeln.

§ 5 RennwettLottG:
(1) Wer ohne Erlaubnis ein Totalisatorunternehmen betreibt oder gewerbsmäßig Wetten abschließt oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Die Zulassung von Wettunternehmern und -vermittlern wird in diesem Gesetz nur für den Bereich der Pferderennen und öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde geregelt (§§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 RennwettLottG), die vorstehenden Strafvorschriften enthalten eine solche Begrenzung jedoch nicht.

Gemeinsam ist allen genannten Strafvorschriften, dass ein Veranstalten von Glücksspielen gleich welcher Art nur mit behördlicher Erlaubnis (der zuständigen deutschen Behörde) nicht verboten und strafbar ist.

Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Dies bedeutet, dass die Länder keine Zuständigkeit zur Änderung der Grundsatzentscheidung des Bundes haben, dass Tätigkeiten im Glücksspielbereich ohne behördliche Erlaubnis verboten und strafbar sind.

Nach der Verfassungsreform 1997 hat der Bund im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung das Gesetzgebungsrecht in Bezug auf einige Regelungskompetenzen nur,
a) wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder
b) die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit
im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.
Diese Begrenzung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gilt insbesondere auch für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG).

Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil zu Sportwetten in Bayern bestätigt:

Eine Neuregelung kommt dabei grundsätzlich sowohl durch den Bundes- wie den Landesgesetzgeber in Betracht. Insoweit kann auch der Bund, gestützt auf den Gesetzgebungstitel für das Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG tätig werden. Eine Kompetenz des Bundes scheitert nicht an dem ordnungsrechtlichen Aspekt der Regelungsmaterie. (Rn. 155).

Dies bedeutet im Hinblick auf die Frage der Gesetzgebungskompetenz der Länder, dass sie den Bund von seiner Regelungskompetenz solange ausschließen können, wie sie dafür sorgen, dass die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG (siehe vorstehend) für eine Kompetenz des Bundes nicht vorliegen. Dies ist durch den Glücksspielstaatsvertrag geschehen. Er regelt das Glücksspielrecht für alle Länder im Wesentlichen einheitlich. Eine bundesgesetzliche Regelung war daher nicht erforderlich. Der Bund wäre für eine solche Regelung deshalb nicht zuständig gewesen.

Anders kann dies jedoch sein, wenn sich die Länder nicht mehr auf ein im Wesentlichen übereinstimmendes Glücksspielrecht verständigen können. Schon wenn nur ein Bundesland ausschert, könnte der Bund im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung für erforderlich halten. Zieht der Bund unter dieser Voraussetzung die Gesetzeskompetenz an sich, hat dies für die Länder gravierende Folgen: Die Einnahmen aus einem bundesgesetzlich geregelten Glücksspielbereich dürften dem Bund zustehen und nicht mehr den Ländern.

Von daher erscheint es eher kontraproduktiv, wenn ein Land darauf aus wäre, im Glücksspielsektor Streit und Uneinigkeit zwischen den Ländern zu produzieren, wie dies nach der eingangs erwähnten Pressemitteilung aussieht. Dies könnte dazu führen, dass dieser Bereich den Ländern ganz entgleitet. Das Ziel der Initiatoren des erwähnten Gesetzentwurfs, aus einem deutlich zunehmenden Glücksspielangebot höhere Einnahmen für ihr Land zu erzielen, wäre damit in das Gegenteil verkehrt.

Diese Stellungnahme beschränkt sich darauf, sich mit Fragen der Regelungskompetenz des Bundes und der Länder zu befassen und sieht von einer inhaltlichen Stellungnahme zu dem Entwurf ab.



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