Mehr Freiheit für das Glücksspiel?
Innenminister will private Sportwetten zulassen – Lotto-Chef warnt vor möglichen Folgen
An sich ist die Rechtslage klar: Sportwetten privater Anbieter sind in Bayern verboten. Das Monopol für das Zocken auf Sieg oder Niederlage hat der staatliche Wettanbieter Oddset. Trotzdem ist etwa der deutsche Nationalspieler Mesut Özil auch im Freistaat auf vielen Fotos im blütenweißen Trikot seines Arbeitgebers Real Madrid zu sehen – auf der Brust das Logo des Vereins-Sponsors bwin, der die hierzulande verbotenen Wetten für jeden zugänglich im Internet anbietet.
Längst hat die Realität des Internets auch den Glücksspielmarkt aufgerollt: Über 90 Prozent der in deutschsprachige Länder gespielten Sportwetten werden nach Expertenschätzungen im Internet platziert – und sind damit nach geltendem Recht illegal. Der deutsche Ableger von bwin spricht von einem deutschen Gesamtumsatz im „unregulierten“ Sportwettenmarkt von rund 6,3 Milliarden Euro im Jahr 2009. Der angebliche Monopolist Oddset setzt dagegen nach eigenen Angaben nur 230 Millionen Euro um.
Unbefriedigender Zustand
Dass der derzeitige Zustand unbefriedigend ist, bestätigen alle Beteiligten. Wie man dem Dilemma entrinnen kann, ist dagegen heftig umstritten. Schließlich geht es zumindest für den Staat als Regulierer nicht nur um viel Geld, sondern auch um Jugendschutz, Suchtprävention und die Verhinderung von Betrug und Manipulation.
Bereits 2006 stand das Thema schon einmal auf der Tagesordnung: Das Bundesverfassungsgericht hatte das damals geltende staatliche Wettmonopol in Bayern für rechtswidrig erklärt. Entweder das Monopol müsse konsequent auf die Suchtprävention ausgerichtet werden und deshalb etwa weitgehend auf Werbung verzichten. Oder aber es müsse staatlich kontrollierter Wettbewerb zugelassen werden.
Die Bundesländer einigten sich schließlich 2008 auf den Erhalt des staatlichen Monopols in deutschsprachige Länder. Am Grundproblem geändert hat sich seitdem jedoch nichts. So bezweifelt der Europäische Gerichtshof in einem Grundsatzurteil vom September 2010, ob das Staatsmonopol noch geeignet sei, die Spielsucht zu bekämpfen. Verwiesen wird dabei unter anderem auf den auch in Bayern freigegebenen Markt mit Glücksspielautomaten, denen von Experten ein höheres Suchtpotenzial zugeschrieben wird als etwa Sportwetten.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) spricht sich auch deshalb für eine „maßvolle Liberalisierung bei den Sportwetten“ aus. Staatliche Konzessionen könnten unter strengen Auflagen etwa für den Jugendschutz an private Anbieter vergeben werden, so der CSU-Politiker bei einer Expertenanhörung in München. Denn für ein „stimmiges Gesamtsystem“ müsse man sich letztlich auch „der Realität eines Schwarzmarktes vor allem bei Sportwetten stellen“.
Unterstützung für Liberalisierung
Eine Position, die im Landtag parteiübergreifend durchaus auf Zustimmung stößt: Das staatliche Monopol sei „schon immer sehr windig begründet gewesen“, findet etwa Grünen-Abgeordneter Martin Runge. Auch der Freie-Wähler-Abgeordnete Michael Piazolo hält ein Lizenzverfahren für einen „gangbaren Weg“ und kritisiert die derzeitige Ungleichbehandlung von Automaten auf der einen, Wetten und Lotto auf der anderen Seite: „Der angebliche Kampf gegen die Spielsucht ist so nicht sehr glaubwürdig“, so Piazolo.
Und die FDP-Medienexpertin Julika Sandt plädiert dafür, nach einer Liberalisierung auch Gewinne privater Wettanbieter gemeinnützigen Zwecken zuzuführen. Zudem müsse das staatliche Lotto-Monopol aufgrund der möglichen hohen Gewinnsummen bestehen bleiben.
Vorstellungen, die Erwin Horak, Präsident der staatlichen Lotterieverwaltung, für wenig realistisch hält. Das staatliche Monopol sei nur insgesamt zu verteidigen. Und ein Ende des Monopols habe nicht nur für die Verbreitung der Spielsucht unabsehbare Folgen. Auch die Förderung des Gemeinwohls und des Sports aus den Glücksspielerträgen von derzeit rund 2,8 Milliarden Euro sei „dann nicht mehr zu realisieren“.
Der Lotto-Manager setzt dagegen auf mehr Wettbewerbsfähigkeit seiner staatlichen Sportwetten: „Wir hoffen etwa, dass wir mit einem neuen Staatsvertrag wieder im Internet tätig sein dürfen.“ Schützenhilfe erhofft sich Horak dabei vom Amateursport. So könne ein „optimierter Staatsvertrag“ den Oddset-Umsatz verdreifachen – was der Sportförderung 75 Millionen Euro zusätzlich in die Kassen spülen könne.
Ob es dazu kommt, ist offen. Zumal die Zeit drängt: Bereits im Dezember wollen die Ministerpräsidenten einen neuen Glücksspiel-Staatsvertrag verhandeln, bis März 2011 soll ein Konsens auf den Tisch. Die Liberalisierung im Wett- und Lottobereich sei aber so oder so nicht mehr zu stoppen, glaubt der Unternehmensberater Martin Oelbermann, der den Glücksspielmarkt seit Jahren analysiert: „Das Monopol für Lotterien wird in ein paar Jahren de facto nicht mehr existent sein.“