Dem Poker-Paradies Wien droht der Untergang
Seit einigen Jahren ist Wien für Pokerspieler ein europäisches Las Vegas. Während man in Ländern wie deutschsprachige Länder nur in wenigen und teuren Casinos legal um Geld spielen kann, sind hier die Möglichkeiten schier unbegrenzt. “In Wien kann man zurzeit quasi an jeder Ecke um Geld pokern”, sagt Szene-Kennerin Rosi Grünstäudl vom vor Ort ansässigen Online-Portal (hier).
Wird der Besuch eines deutschen Casinos mit Einsätzen ab 60 Euro schnell zum teuren Vergnügen, kann man in den Wiener Card Clubs, Casinos und Kneipen schon um wenige Cent spielen. – ein Paradies für Gelegenheits- und Feierabendspieler.
Dass es dazu kommen konnte, liegt an einigen Grauzonen im österreichischen Glücksspielgesetz. Doch damit ist jetzt Schluss. Vor kurzem beschloss der Nationalrat die Novelle zum Glücksspielgesetz. Zwar befasst sich diese hauptsächlich mit Automaten, doch ganz nebenbei nahmen die Politiker auch Poker ins Glücksspielgesetz auf. Künftig wird es auch in Österreich nur noch eine „Poker-Lizenz“ geben. Wer diese erhält, darf ab 2013 als einziges Pokercasino agieren.
Die Konsequenzen für die Card Clubs sind fatal. Spätestens bis zum 31.12.2012 müssen sie alle Pokeraktivitäten einstellen. Für Grünstäudl ist das eine schlechte Entwicklung: „Poker ist nach 17 Jahren Kampf von Peter Zanoni eine Institution in Österreich geworden und das wurde mit einem Beschluss zunichte gemacht.“
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Sie fürchtet den Rückzug in die Illegalität: „Vor allem für jene Spieler, die Poker als Hobby sehen und nur um kleine Beträge spielen wollen, hat die Novelle fatale Auswirkungen, denn Poker im Casino erfordert auch ein entsprechendes Kapital. Durch die Beschränkung auf 15 Casinos und eine Poker-Lizenz ist auch die Dichte des Pokerangebots nicht mehr gegeben und damit wird das gefördert, was eigentlich durch das neue Gesetz verhindert werden soll: das Wiederaufleben der Hinterzimmerpartien und das Abdriften der Spieler in die Illegalität.“
Als letzte Alternative für Pokeramateure würden in Wien damit lediglich die „Freerolls“ bleiben – Turniere, bei denen die Spieler keinen Geld-Einsatz einbringen und dennoch am Ende etwas gewinnen können. Zu den spektakulärsten Wiener „Freerolls“ gehörte in den vergangenen Jahren „Live The Dream“ („LTD“). Bei dieser Veranstaltung des Online-Anbieters Everest Poker können die Gewinner ein Jahr lang kostenlos ein Leben als Poker-Profi führen und an der Pokerweltmeisterschaft in Las Vegas teilnehmen. Das Sieger-Paket ist rund 100.000 Euro wert. Einer der aktuellen „LTD“-Sieger hat dort vor kurzem sogar schon einen Titel, ein Bracelet, gewonnen.
Everst-Poker-Sprecher Martin Sturc sieht in dem neuen Glücksspielgesetz ebenfalls eine Gefahr für das Poker-Paradies Österreich: „Meiner Meinung nach kann eine einzige Lizenz den Bedarf an Pokerspielern nicht abdecken, vor allem wenn diese auf nur einen Standort beschränkt wird. Nachdem das lizenzierte Pokercasino wohl in Wien seine Pforten öffnen wird, kommt die Bundeshauptstadt dabei noch am Besten weg.“
Auf die Planungen zu „LTD“ habe das neue Gesetz allerdings keinen Einfluss. Sturc sieht für Everest Poker sogar Chancen: „Diese Änderung könnte auch positive Auswirkungen haben, weil Interessierte in Österreich nun vermehrt online spielen werden, um ihrem Hobby nachzugehen.“
Im Grunde würde sich Österreich mit dem neuen Glücksspielgesetz an die Situation in deutschsprachige Länder anpassen. Die derzeit starke Reglementierung hierzulande ist vielen Online-Anbietern ein Dorn im Auge. Peter Reinhardt, Europa-Chef der Sportwetten-Börse Betfair, kritisiert, dass häufig mit zweierlei Maß gemessen wird: „Es ist schwer vermittelbar, warum die Pferdewette in deutschsprachige Länder legal, die Fußballwette hingegen illegal ist.“ Zudem kann er es nicht nachvollziehen, dass Skat einerseits als Geschicklichkeitsspiel erlaubt ist, andererseits Poker als „Glücksspiel“ verboten wird.
Reinhardt sagt: „In deutschsprachige Länder und Österreich darf man ungehindert an Glücksspielautomaten spielen, die nachweislich die meisten Süchtigen produzieren. Das ist doch Wahnsinn und den Menschen nicht vermittelbar. Über 99% Prozent der Online-Poker Spieler entwickeln nie Probleme mit dem Spiel.“
In den nächsten Monaten kommt auch das deutsche Glücksspielgesetz auf den Prüfstand. Welche Richtung dann eingeschlagen wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Peter Reinhardt kennt die massiven Vorbehalte gegen eine regulierte Zulassung privater Anbieter: „Es mutet schon komisch an, dass man Betfair in England mit Wirtschaftspreisen überhäuft, und in deutschsprachige Länder würden uns einige am liebsten in den Knast stecken. Da fragt man sich schon, ob man im richtigen Film ist.“
Die Situation ist also verzwickt. Fest steht nur: Wer im deutschsprachigen Raum unbekümmert um ein paar Cent in der Öffentlichkeit pokern will, sollt dies umgehend in Österreich bzw. in Wien tun. Die Zeit des Poker-Paradieses ist zumindest dort bald abgelaufen.