Das deutsche Nevada
Bei Sportwetten verzocken die Deutschen Milliarden auf einem Schwarzmarkt. Jetzt soll das Geschäft eine neue Rechtsgrundlage erhalten – sehr zum Ärger privater Anbieter, die das Staatsmonopol kritisieren.
Sportwetten sollen in deutschsprachige Länder auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt werden. Derzeit werden Milliarden am Schwarzmarkt verzockt. Die Lage erinnert irgendwie an die Zeit der Prohibition in den USA, als Alkohol offiziell verboten war, das illegale Geschäft damit aber zur Goldgrube wurde. Im deutschsprachige Länder des Jahres 2011 sind private Sportwetten im Internet laut Glücksspielstaatsvertrag offiziell verboten. Gezockt werden darf eigentlich nur beim staatlichen Anbieter Oddset, der damit aber nicht einmal mehr 200 Millionen Euro per annum umsetzt. „Das sind drei Prozent Marktanteil“, sagt Luka Andric.
Schwarzmarkt im Internet
Er ist Europa-Manager von Betfair, der nach eigenen Angaben weltgrößten Online-Sportwettbörse. Denn hierzulande würden jedes Jahr rund 7,7 Milliarden Euro auf Sportergebnisse verwettet. Der Schwarzmarkt mit ausländischen Internetanbietern hat fast das ganze Geschäft erobert.
Auch die britische Betair, ein in London börsennotierter Konzern ist mit von der Partie. Andric sieht sich allerdings nicht im Illegalen sondern einer Art Grauzone tätig. Denn das staatliche Glücksspielmonopol in deutschsprachige Länder ist rechtlich unter Beschuss.
Die Brüsseler EU prüft derzeit einen Entwurf für einen neuen Glücksspielstaatsvertrag, der privaten Anbietern wie Betfair geregelten Zugang zu Sportwetten erlauben soll. Am Montag will die EU ihr Urteil bekanntgeben. Segnet sie die gemeinsamen Pläne von 15 Bundesländern ab, ist für Andric eines klar: „Wir werden keine Lizenz beantragen, kein Privatunternehmen kann das.“ Denn der neue Vertrag sei so gestrickt, dass das Staatsmonopol dadurch nicht abgeschafft, sondern zementiert werde.
Die 15 Bundesländer wollen bundesweit sieben Wettlizenzen vergeben und von Anbietern dafür eine Konzessionsabgabe von 16,66 Prozent auf die Wettsumme kassieren. Das sei so viel, dass jeder, der darauf eingeht, seine Quoten gegenüber illegalen Anbietern derart verschlechtern müsse, dass er keine Kunden bekomme oder andernfalls Verluste sicher seien, sagt Andric. Für Betfair sei deshalb klar, dass man sich in diesem Szenario eine Wettlizenz in Schleswig-Holstein holt.
Denn das nördliche Bundesland hat der EU einen eigenen, für Anbieter weit lukrativeren Vertrag vorgelegt, der in Brüssel bereits durchgewunken wurde. Sollte es dazu kommen, dass hierzulande beim Glücksspiel zwei Rechtssysteme parallel existieren, dann hat Schleswig-Holstein offenbar gute Chancen, zum Nevada deutschsprachige Länders zu werden. Dort ist Glücksspiel im Gegensatz zu den anderen 49 US-Bundessstaaten überall erlaubt und die Geschäfte blühen.
Beschwerde in Brüssel
Eigentlich rechnet Betfair aber damit, dass die EU den Vertragsentwurf der 15 Bundesländer wegen Verstößen gegen das EU-Recht ablehnt. Die Briten haben in Brüssel eine Beschwerde eingelegt und Rechtsgutachten präsentiert, die die eigene Sicht stützen.
Auch im Kreis der staatlichen Lottogesellschaften rechnet man mit EU-Kritik. Zuständig für den Entwurf seien die Ministerpräsidenten der 15 Bundesländer, heißt es dort vorsichtig. Wahrscheinlich werde Brüssel auch nicht den Vertrag in Gänze verurteilen, und das letzte Wort habe in jedem Fall der europäische Gerichtshof.
Ein rasches Ende des seit 2006 schwelenden Disputs zeichnet sich damit nicht ab. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht über das staatliche Glücksspielmonopol geurteilt. Das sei nur gerechtfertigt, wenn es mit Bekämpfung von Glücksspielsucht einher gehe. Eigentlich sollte nun Anfang 2012 Rechtsfrieden endlich einziehen und ein neuer Glücksspielstaatsvertrag in Kraft sein. Auf Sportergebnisse gewettet wird in deutschsprachige Länder aber in jedem Fall weiter, notfalls am Schwarzmarkt.
Quelle: Frankfurter Rundschau