All-in nun halt im Hinterzimmer

Pokerverbot Die Turnierorganisatoren im Bezirk darben, während illegale Angebote florieren
Die Anhänger der beliebten Pokervariante Texas Hold?em spielen nach dem Turnierverbot des Bundes im Internet, Privatrahmen oder in der Illegalität. Privatanbieter suchen derweil Gesetzeslücken.
Elio Stamm
Im Bezirk Horgen spielen die Pokerfreunde auch nach dem Turnierverbot ausserhalb von Casinos munter weiter. Jetzt in illegalen Pokerlounges, wo die Anbieter bis zu 4000 Franken Gewinn pro Abend erzielen. (Archiv Reto Schneider)
Seit dem 2. Juni lebt die Pokerszene in der Prohibition. An jenem Tag nämlich hat das Bundesgericht in letzter Instanz Poker als Glücksspiel eingestuft. Von einem Tag auf den anderen waren die Organisation und der gewerbemässige Betrieb von Pokerturnieren ausserhalb von Casinos verboten.
Auch im Bezirk Horgen traf das Verbot die Pokerunternehmer in der Existenz. Die Pokerlounges in Adliswil, Thalwil und Wädenswil haben ihren Betrieb eingestellt, die Spielleiter an den Tischen, Dealer genannt, die vorher auf Stundenbasis Karten ausgaben, keine Arbeit mehr. «30 bis 40 Arbeitsplätze sind bezirksweit verloren gegangen», schätzt Denis Briel, der im Pot-Belly?s-Pub in Adliswil eine Pokerlounge betrieben hat.

Keine Gewinne, keine Spieler
Briel sitzt an seinen leeren Pokertischen im «Pot-Belly?s», an denen er bis zum Urteil sechsmal wöchentlich Turniere veranstaltete. Vor einer Woche hat ihm die Stadtpolizei Adliswil verboten, die Tische an Gäste zu vermieten, damit diese dort unter sich spielen können. Er darf die Tische nicht einmal im Lokal stehen lassen. «In meinen Augen widerspricht dies dem Gesetz. Es ist nicht verboten, Pokertische zu besitzen. Wir klären momentan ab, was wir dagegen unternehmen können», enerviert sich Briel. Mit dem Vermieten habe er zwar auch rote Zahlen geschrieben, aber immerhin den Verlust ein wenig abdämpfen können, den das Verbot hinterlassen hat.
Er dürfte zwar streng genommen weiterhin Turniere organisieren, aber nur, wenn die Spieler keinen Einsatz bezahlen und keinen Gewinn ausbezahlt kriegen. «In der ersten Woche nach dem Verbot haben wir noch solche Freeroll-Turniere angeboten», sagt Briel. Doch das Interesse daran sei gleich null. Zu eng ist der Reiz des Spiels an den Reiz und das Risiko gebunden, Geld gewinnen respektive verlieren zu können.
Die gleiche Erfahrung wie Briel hat Adriano Angelelli mit seiner Pokerlounge im Thalwiler Asso-Club gemacht. «Wir veranstalten zwar noch Plauschturniere ohne Grundeinsatz, wenn Interesse besteht», erklärt Angelelli. Damit könne man aber nicht überleben. «Wir haben deshalb das Konzept geändert und unser Lokal in eine Bar und Lounge im herkömmlichen Stil verwandelt.»

Verbannung in die Illegalität
Wie im Chicago der 30er-Jahre, als sich die Mafia mit dem Produzieren und Verkaufen von Alkohol eine goldene Nase verdiente, springen auch im Bezirk Horgen von heute illegale Anbieter in die Bresche. Im Bezirk gibt es verschiedene illegale Poker-Treffs und -Lounges. Das bestätigen sowohl Denis Briel wie auch die Gattiker Pokerunternehmerin Claudia Chinello, die selbst vom Urteil nicht so stark betroffen ist, da sie nicht Turniere organisiert, sondern Kurse für Firmen und Private.
Besonders mit der Variante Cash-Game lasse sich als illegaler Anbieter viel Geld verdienen, erklärt Briel. «Dabei kann man jederzeit ins Spiel ein- und aussteigen, es geht nicht um das Eliminieren von Gegnern wie im Turnier.» Die Anbieter nehmen einfach von jedem Pot, also dem Einsatz aller Spieler, 5 bis 10 Prozent weg. «So verdienen sie rasch bis zu 4000 Franken pro Abend und haben damit natürlich eine höhere Marge, wie wir sie zu legalen Zeiten hatten», sagt Briel.
War das Cash-Game schon vor dem Bundesgerichtsentscheid nur im Casino erlaubt, nehmen ihm die illegalen Anbieter heute aber auch das Turniergeschäft weg. Freude hat er an dieser Entwicklung keine. Seiner Ansicht nach müsse das Pokern streng, aber fair reguliert werden. «Mit einer Lizenz könnte der Staat die Anbieter überprüfen und schwarze Schafe aussondieren. So aber gerät das Pokerspiel in kriminelle Hände.»
Eines ist für alle Kenner der Szene klar. Abhalten von ihrem Hobby lassen sich durch das Verbot nur die wenigsten Spieler, «vielleicht 10 bis 20 Prozent», schätzt Briel. Die restlichen spielten im Internet oder dem Hinterzimmer weiter. Ins Casino gingen die wenigsten. Auch Claudia Chinello berichtet davon, dass ihre Pokerkurse weiter gut laufen. «Die Leute wollen spielen, Gesetz hin oder her», lautet ihr Fazit.
Aufgeben möchte Denis Briel trotz düsterer Gesetzeslage nicht. Zu viel hat er investiert. Erst im Mai hat er die Pokerlounge im «Pot-Belly?s» zusammen mit einem Partner für 70 000 Franken umgebaut. «Unsere Anwälte klären momentan ab, ob es Möglichkeiten gibt, trotz des Gesetzes legal Turniere zu organisieren», formuliert Briel die Gretchen-frage, mit der sich Pokerunternehmer momentan schweizweit beschäftigen. Versucht worden ist schon vieles. Das Swiss Poker Casino in Siebnen, das nur den Namen, aber nicht die Konzession eines Casinos besitzt, verteilte etwa als Gewinn Coop-Gutscheine und finanzierte diese mit Sponsoren. Aber nicht für lange. Es musste aufgrund einer Verfügung des Kantons Schwyz den Betrieb mittlerweile auch einstellen.
Die Anbieter bewegen sich, das zeigt das Beispiel Siebnen, auf dünnem Eis. Die Spielbankenkommission hat gezeigt, dass sie das Gesetz streng auslegen wird. Bemühungen, das Pokerverbot mit der Gründung von Vereinen zu umgehen, hat sie bereits Mitte Juni im Keim erstickt.

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