Ein Kessel Rundes
Es ist ein Las Vegas in der Puppenstube, ein Casino wie ein Kinderzimmer, das in Halle alle lockt, die ihr Glück auf ein Kessel Rundes versuchen wollen. Eine Sitzecke, eine Bar, drei Pokertische und drei Roulette-Teppiche warten hinter der strengen Ausweiskontrolle im Foyer. Wer spielen will, muss Geduld mitbringen, auch wenn die Zocker eher hereintröpfeln. Personalausweise werden geprüft, Datenbanken konsultiert. Berufsspieler wie der Leipziger Roulettekönig Christian Kaisan kommen hier schon nicht weiter: Ihr Name ist gesperrt, die Tür zum Raum mit den staubigen roten Stores an den Fenstern bleibt zu.
Dabei wäre dahinter auch an diesem Abend noch viel Platz. 23 Uhr, die Nacht ist jung, die Kugel frisch. Fünf Chinesen, die eigentlich wohl Vietnamesen sind, zwei Russen, von denen einer sagt, er sei Ukrainer, die Dame in Dunkel, ein älterer Herr und zwei Jungerwachsene, die häufig telefonieren, so sehen sie aus, die Menschen, die die israelische Sybil-Group hoffen lassen, aus Sachsen-Anhalt das Glücksspiel-Paradies Europas machen zu können. 300 Millionen Euro will das Unternehmen, das bisher vor allem Shopping Center betreibt, in ein „Las Vegas des Ostens“ investieren, das auf dem Gelände des Kraftwerkes Vockerode errichtet werden soll. Der Spieltrieb der Sachsen-Anhalter soll dort dann tausende Jobs für Hotelangestellte, Croupiers und Kellner schaffen. Dazu müssten die Mitteldeutschen allerdings für den Spaß am Spiel künftig ein wenig tiefer in die Tasche greifen wollen als derzeit. Nur 3,50 Euro pro Jahr geben die Menschen hierzulande für Roulette, Poker und Black Jack aus – kaum fünf Prozent dessen, was der Durchschnittsdeutsche riskiert.
In der Hoffnung darauf hat die Immobilienfirma erstmal die drei bis dahin landeseigenen Spielbanken gekauft, die dem Finanzminister statt sprudelnder Gewinne jahrelang dicke Verluste beschert hatten. Und ein Jahr später sieht es, nun ja, nicht danach aus, als habe Sybil eine Goldgrube erworben. Natürlich, der Russe im roséfarbenen Hemd wirft Hunderter auf den Tisch, als werde hier ein Film gedreht. Natürlich, die chinesischen Stammgäste lassen keine Runde aus. Geld muss arbeiten, das hier besonders hart: Mit der Geschwindigkeit arktischer Gletscher schmelzen die Türmchen aus bunten Jetons vor ihnen zusammen. Immer wieder fährt eine Hand für Nachschub ins Jackett, immer wieder nieseln ein paar 50-, 100- oder 200-Euro-Scheine auf den Tisch. Der Croupier läßt sie mit unbewegter Miene in einem speziellen Geldschlitz verschwinden. Im Tausch dafür gibt es neue Jetons, die Türmchen wachsen. Aber nie für lange. Die Laufkundschaft dagegen, leicht zu erkennen am Fragezeichenblick und der Broschüre „Ihr Rendezvous mit dem Glück“, kalkuliert sichtlich scharf. Zwei Freigetränke darf sich jeder Gast kommen lassen – folglich kommt ein Spieleinsatz von 20 Euro für zwei selbst bei einem Totalverlust nicht viel teurer als ein gewöhnlicher Kneipenbesuch.
Da schaut der Chinese im vorschriftsmäßig „gehobenen Freizeitjackett“ gelangweilt auf. Wie alle echten Spieler hat er seine eigene Jetonfarbe. Wie alle mit eigener Jetonfarbe erkennt er mit einem bedauernden Blick, wer mit Standardchips von der Hauptkasse spielt. Im ersten Anlauf zwei Euro auf rechte Kolonne. Wer sagt es denn: die 3! Macht vier Euro Gewinn. Dasselbe nochmal mit Kolonne links. Großes deutet sich an, denn die Kugel kullert wie bestellt in die 25. Macht acht Euro Gewinn. Aus zwei Euro Einsatz. Das gehobene Freizeitjackett knurrt spöttisch „Hast Du gewonnen, hast Du Glück.“ Er ja nicht. Nun wäre Schwarz eine sichere Sache. Aber die einfachen Chancen sind teuer in Sachsen-Anhalts Spielbanken, die gegen einen beliebigen Spielsaal in Reno / Nevada wirken wie ein Tante Emma-Laden neben dem Günthersdorfer Nova-Eventis-Park. Zehn Euro Mindesteinsatz bei einer Chance von Halbe-Halbe schrecken ab. So bleibt es nach drei Minuten bei 400 Prozent Profit. Wenn es so weitergeht, ist die erste Million nur noch 4 000 Spiele weit weg.
Ein langer Weg, auf dem die beiden Jungerwachsenen mit Basecap und Poloshirt am anderen Tisch schon ein Stück vorausgewandert sind. In stolzen Häufchen stapeln sich vor Poloshirt und Basecap Jetons im Wert eines Verkäuferinnen-Monatslohns. Basecap lässt das Plastik klackern und immer mal ein Spiel aus, Poloshirt dagegen reitet auf komplizierten geometrischen Figuren in die finanzielle Unabhängigkeit. Runde für Runde baut er exakte Vierecke aus jeweils 240 Euro, gekrönt von einem Mitteltürmchen, das noch einmal 60 kostet. Der Kessel dreht, das „nichts geht mehr“ kommt. Jetzt erst hetzen die eiligen Setzer herbei, die hier noch und da und überall ein paar Euro auf Jagd schicken. Einen flüchtigen Moment bleiben der Russe in Rosé, die dunkle Dame, der alte Herr und die Asiaten in gemeinsamem Bangen vereint. Dann fährt der Croupier den Arm aus und all die bunten Hunderter verschwinden auf Nimmerwiedersehen im Kellergeschoss des Spielgeräts.
Dort hinein ist inzwischen auch der Gewinn von eben gefahren. Nach soviel Links und Rechts außen wäre mal das zweite Dutzend drangewesen. Das wusste aber nichts davon. „Die Kugel erinnert sich nie, wo sie zuvor gelandet ist“, schwört der frühere Profispieler Christian Kaisan. Jeder Wurf ist neu, jeder entscheidet sich allein zwischen Schwarz und Rot, Gerade und Ungerade. Deshalb gibt es kein System für sichere Gewinne beim Roulette, auch wenn der Junge im Polohemd an seine Quadrate glaubt und die dunkle Dame gerade eine Strähne erwischt. Beide haben schon mehr verloren, als sie heute Abend noch kostenlos werden trinken dürfen. Der ältere Herr hingegen hat seine zwei Bier geschafft und dabei nur vier Euro am Tisch gelassen. Früher habe er „aktiv“ gespielt, sagt er. Doch das bringe ja nichts. Denn auf Dauer gelte immer Zockerregel Nummer 1: „Ist die Spielbank noch so klein, bringt sie doch mehr als Spielen ein“.
Schöne Geschichte und wir empfehlen euch es auch mal in einem Online Casino auszuprobieren.
Roulette spielt man im