Erfahrungen mit dem Glücksspielstaatsvertrag
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Dringliche Anfrage der Fraktion DIE LINKE; es gilt das gesprochene Wort!
Die Fraktion hatte gefragt:
Der Glücksspielstaatsvertrag läuft aus. Er hat seine Ziele nicht erreicht. Dort, wo das pathologische Spielen – Glückspielsucht – am häufigsten anzutreffen ist, nämlich vor den Glücksspielautomaten, gibt es keine Verbote. Dagegen findet alles, was nach dem Glücksspielstaatsvertrag verboten ist, praktisch sanktionslos im Internet statt.
Der Glücksspielstaatsvertrag ist hinsichtlich seiner Zielsetzung auch widersprüchlich. Seine Umsetzung wurde inkonsequent verfolgt. Wetten werden als Glückspiele eingestuft. Wetten auf Pferderennen sind erlaubt, Wetten auf Hunderennen verboten. Sportwetten sind eigentlich verboten, Verstöße werden praktisch aber nicht verfolgt. An der Börse wird munter auf zukünftige Kurse gewettet.
Aus diesem Grund fragen wir die Landesregierung:
1. Bestätigt die Landesregierung die getroffene Einschätzung, dass der Glücksspielstaatsvertrag seine Ziele verfehlt hat und nicht fortgeführt werden sollte?
2. Teilt die Landesregierung die Einschätzung der Fraktion DIE LINKE, dass eine reine Liberalisierung das Problem der Umgehung der Verbote durch das Internet nicht lösen wird, weil auch ohne staatliches Verbot ein im Ausland ansässiger Glückspielanbieter seinen Sitz nicht ohne Not nach deutschsprachige Länder verlegen wird, wenn er hier steuerpflichtig würde?
3. Wie verhält sich die Landesregierung zu dem Vorschlag der Fraktion DIE LINKE, im Fall einer Liberalisierung von Sportwetten, Poker und anderen als Glücksspiel eingestuften kommerziellen Spielgelegenheiten mit einer Steuer dort anzusetzen, wo der einzige aus Sicht der Anbieter notwendige Inlandsbezug besteht, nämlich bei der Werbung?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Dringliche Anfrage wie folgt:
Der geltende Glücksspielstaatsvertrag, das Niedersächsische Glücksspielgesetz und Änderungen im Spielbankgesetz wurden für Niedersachsen am 14.12.2007 vom Landtag ohne Gegenstimmen beschlossen. Diese Gesetze regeln im Wesentlichen Lotterien, Wetten und Glücksspiele in Spielbanken. Im Kleinen Spiel der Spielbanken befinden sich auch Glücksspielautomaten, diese sind aber mit der Dringlichen Anfrage wohl nicht gemeint.
Sportwetten gelten als Glücksspiel und sind nach den Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages wie auch der früheren Regelungen dem staatlichen Monopol vorbehalten. Toto hat in deutschsprachige Länder eine lange Tradition und auch die Oddset-Wetten sind seit 1999 fester Bestandteil des staatlichen Glücksspielangebotes. Anders als bei nicht erlaubten Angeboten aus dem Ausland fließt hier aber ein erheblicher Anteil an Steuern an die Länder und aus den Glücksspielabgaben profitieren Sport, Soziales, Kunst, Musik, Umwelt, Kultur und Denkmalschutz.
Wie für das gewerbliche Automatenspiel gilt auch für die Pferdewetten ein Gesetz des Bundes. Im Rennwett- und Lotteriegesetz von 1922 ist geregelt, dass der Bereich der öffentlichen Pferderennen mit Wetten verbunden ist und diese von den Pferdezuchtvereinen und den konzessionierten Buchmachern veranstaltet und vermittelt werden. Die Erlöse gehen weitgehend in die Förderung der Pferdezucht. Hunderennen haben
in deutschsprachige Länder keine Tradition, insoweit sind Wetten auf solche Rennen auch nach geltendem Recht nicht zulässig.
Die Regelungen über das gewerbliche Automatenspiel finden sich im Gewerberecht des Bundes. Aus dem Bereich der Suchtberatung und -therapie wird die besondere Gefahr hervorgehoben, die sich aus diesen insbesondere in Spielhallen und Gaststätten angebotenen Spielen ergibt. Der Bund hat nach der letzten Neufassung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit im Jahr 2006 (Spielverordung), eine Evaluation durchgeführt, deren Ergebnisse noch nicht vorliegen. Von daher kann auch die fachliche und politische Diskussion über diesen Bereich insbesondere im Bundestag noch nicht zu Ende geführt werden. Die Länder haben sich durch ihre Ministerpräsidenten, aber auch innerhalb der Fachministerkonferenzen für Soziales und Gesundheit, Finanzen und für Inneres deutlich für eine Beschränkung und Regulierung in diesem Aufgabenfeld des Bundes im Ressort des Bundeswirtschaftsministers ausgesprochen.
Wetten an der Börse auf Sportereignisse sind aus Niedersachsen nicht bekannt, andere Länder sind allerdings in Einzelfällen dagegen erfolgreich vorgegangen. Andere Aktivitäten an den Börsen fallen nicht unter die Bestimmungen des Glücksspielrechts.
Nach dem Glücksspielstaatsvertrag verbotene Glücksspiele finden nicht allein im Internet statt. Zu diesem Bereich zählen insbesondere die nicht erlaubten Angebote in Sportwettlokalen, Pokerveranstaltungen und andere private Glücksspielangebote. Weiter verboten sind auch eine Vielzahl von Werbeaktivitäten in den Medien.
Hinsichtlich des Vollzuges ist darauf hinzuweisen, dass die Angebote aus dem erlaubten Lotteriebereich, die bis einschließlich 2008 erlaubt waren, generell wegen ihrer potentiellen Gefahr für die Suchtgefährdeten und für Jugendliche im Internet freiwillig vollständig eingestellt worden sind. Die Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrages erfolgt konsequent. Zunächst waren die neuen rechtlichen Vorgaben bei den erlaubten Veranstaltungen und Vermittlungen umzusetzen. Die Bekämpfung der nicht erlaubten Glücksspiele wurde fortgesetzt, von der Rechtsprechung geprüft und weiterentwickelt. Angebote im Internet aus dem In- und Ausland sind auch bisher nicht sanktionslos geblieben, sondern Gegenstand zahlreicher Untersagungs- und Zwangsverfahren der Glücksspielaufsichtsbehörden. Besonders erfolgreich war die Untersagung von sogenannten Hausverlosungen im Internet.
Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen die Gesetze zum Glücksspielwesen unbeanstandet gelassen und damit die politische Grundentscheidung für ein Glücksspielmonopol durch die Länder bestätigt. Vorrangige Ziele des Glücksspielstaatsvertrages sind nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die Suchtprävention sowie der Jugend- und Spielerschutz. Daneben stehen die Begrenzung des Angebotes, das Kanalisierungsgebot und die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Glücksspielbetriebes einschließlich der Kriminalitätsabwehr, aber auch die Verpflichtung der Länder, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen.
Die Frage der Zielerreichung ist Gegenstand der gesetzlich vorgegebenen Evaluation des Glücksspielstaatsvertrages, die gegenwärtig von den Glücksspielaufsichtsbehörden durchgeführt wird. Deren Ergebnisse sind zusammen mit einer international vergleichenden Analyse des Glücksspielwesens im Auftrag der Staatskanzleien bis Ende dieses Jahres der Konferenz der Chefinnen und Chefs der Staatskanzleien sowie der Ministerpräsidentenkonferenz vorzulegen. Die notwendigen umfangreichen Erhebungen und Auswertungen sind weitgehend abgeschlossen und werden spätestens zum Jahresende vorliegen. Dann ist auch über die Fortgeltung des Glücksspielstaatvertrages oder Neuregelungen zu entscheiden.
Bei einer möglichen Weiterentwicklung des Glücksspielrechts werden auch die Belange der privaten Glücksspielanbieter, Glücksspielvermittler und der Vertriebsstellen von Glücksspiel-anbietern zu berücksichtigen sein. Dies ist auch Gegenstand der Landtagsentschließung vom 14.12.2007 (Drs. 15/4356). Im Frühjahr hat eine strukturierte Anhörung der Adressaten des Glücksspielstaatsvertrages stattgefunden, deren differenziertes Meinungsbild in den Evaluierungsbericht der Länder eingehen wird.
Auch die für den 08.09.2010 angekündigten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs über acht deutsche Vorlageverfahren aus dem Glücksspielbereich und die bisherige Rechtsprechung dieses Gerichts werden bei konkreten Vorschlägen zu Weiterentwicklungen des Glücksspielrechts berücksichtigt werden.
Unter gesellschafts- und ordnungspolitischen Gesichtspunkten hat das Glücksspielrecht die Suchtprävention wirksam unterstützt. Nach dem neuen Glücksspielrecht wurde sowohl die wissenschaftliche Forschung im Bereich der Suchtbekämpfung vorangetrieben, als auch praktische Hilfe an spielsüchtige oder spielsuchtgefährdete Personen geleistet. Neben diesen Angeboten der Suchtberatung und Suchttherapie hat ein unabhängiger Fachbeirat den Ländern wertvolle Unterstützung geleistet, wenn es darum ging z. B. Erlaubnisse nach den suchtpräven-tiven Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu erteilen.
Einen Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKEN vom 25.06.2008 mit dem Ziel einer Besteuerung von Werbung für Glücksspiele (Drs. 16 / 288) hat der Landtag am 12.11.2008 abgelehnt.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Eine abschließende Bewertung bleibt dem Ergebnis der gem. § 27 des Glückspielstaats-vertrages durchzuführenden Evaluation vorbehalten. Diese wird bis Ende dieses Jahres vorliegen. Über eine Fortgeltung des Staatsvertrages hat die Ministerpräsidentenkonferenz gem. § 28 bis Ende des vierten Geltungsjahres, also 2011, zu beschließen.
Zu 2.:
Bei vollständiger Liberalisierung des Glücksspiels hätte ein im Ausland ansässiger Anbieter die Wahl, ob er seinen Sitz nach deutschsprachige Länder verlegen würde oder nicht. Die Besteuerung eines Auslandsangebotes im Internet ist auch nach Auffassung der Finanzministerkonferenz derzeitig von deutschsprachige Länder aus weder rechtlich noch tatsächlich möglich.
Zu 3.:
Es erscheint aus steuersystematischer Sicht äußerst zweifelhaft, eine Steuer auf Werbung zu erheben. Werbeleistungen werden bereits in nicht unerheblichem Ausmaß innerhalb der EU insbesondere umsatzsteuerlich erfasst. Ertragsteuerlich wirken sie sich als Betriebsausgaben steuermindernd aus. Wenn daher überhaupt zulässig, würde die Einführung einer Werbesteuer zu einer weiteren Komplizierung des Steuerrechts führen. Die Werbung stellt mangels Wertschöpfungsertrags kein geeignetes Besteuerungsobjekt dar. Daher kommt eine Besteuerung auch rechtspolitisch nicht in Betracht.