Fall des Glücksspielstaatsvertrag in Österreich
Konkurrenz jubelt, Politik will Änderungsbedarf prüfen
Wien – Der für Glücksspiel zuständige Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) hat heute betont, dass das neue, im Sommer 2010 in Kraft getretene Glücksspielgesetz (GsPG) die heutige Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) bereits berücksichtige. Die neuen Regelungen sehen wie berichtet vor, dass es künftig 15 statt 12 Casinolizenzen gibt, die „nach vorheriger öffentlicher und transparenter Interessentensuche“ durch den Finanzminister vergeben werden müssen. Möglicherweise muss das Gesetz aber wieder abgeändert werden.
„Insbesondere ist zu prüfen, ob und inwieweit auch bloße Zweigniederlassungen von EU-Gesellschaften bei der Konzessionsausschreibung nächstes Jahr ‚mitbieten‘ dürfen. Das ist im neuen Gesetz nicht vorgesehen, könnte jedoch aufgrund des heutigen Urteils notwendig werden“, so Lopatka in einer Stellungnahme.
Dabei geht es um jene strittige Gesetzespassage, die vorsieht, dass erfolgreiche Bewerber aus dem EU-Ausland „fristgerecht“ nach Erhalt der Lizenz eine inländische Kapitalgesellschaft gründen müssen. Möglicherweise muss dieser Passus jetzt gestrichen werden.
Lizenzvergabe
Die 2012 bzw. 2015 auslaufenden 12 bestehenden Casinolizenzen, die in Händen der Casinos Austria sind, die bestehende Lotterielizenz sowie die drei zusätzlichen Spielbankkonzessionen werden alle 2011 ausgeschrieben, so Lopatka. „Dabei wird – wie vom EuGH gefordert – sichergestellt, dass alle in der EU niedergelassenen Unternehmen auch die reale und faire Chance haben, ihr Interessen an der fraglichen Konzession zu bekunden.“
Die Lizenzvergabe könne „wie beabsichtigt nach einer transparenten Interessentensuche durchgeführt werden“, so der Staatssekretär. Ob dies bedeutet, dass sich wirklich jeder, der Interesse an einer Spielbankkonzession hat, bewerben kann? „Wir hören alle an, die sich bewerben wollen“, so eine Sprecherin von Lopatka.
Lopatka sieht das Glücksspielmonopol durch den EuGH-Spruch jedenfalls nicht gekippt. „Der EuGH hat in seinen Urteilen von gestern und heute erneut bestätigt, dass das Monopol der Mitgliedsstaaten zum Schutz der Spielteilnehmer rechtskonform ist“.
Konkurrenz ist froh
Der Grün-Abgeordnete Peter Pilz, der das neue Glücksspielgesetz stets massiv kritisiert hat, begrüßt das Urteil. „Mit dieser Entscheidung muss nun das Glücksspielgesetz völlig neu verfasst werden“, glaubt der Politiker laut einer Aussendung. Das eröffne die Chance, „die Gangsterwirtschaft in diesem Bereich endlich zu bekämpfen“, so Pilz. Der börsenotierte Online-Sportwettenanbieter bwin und der Automatenkonzern Novomatic jubeln ebenfalls über den Entscheid.
„Das Urteil ist ein Schlag in das Gesicht der Monopolisten und eine indirekte Aufforderung an die Politik, das Thema Glücksspiel endlich zeitgemäß, nachhaltig und umfassend zu regulieren“, sagte bwin-Sprecherin Katharina Riedl. Die EuGH-Richter hätten auch bestätigt, dass die EU-Prinzipien Dienstleistungsfreiheit, Gleichbehandlung und Transparenz „mit Füßen getreten wurden.“ Nun müssten die bestehenden und neuen Casinolizenzen „endlich“ ordnungsgemäß ausgeschrieben werden, so der Wiener Konzern, der sich gerade mit der britischen PartyGaming zusammenschließt und selbst kein Interesse an einer Spielbankkonzession hat.
Ähnlich äußerte sich Novomatic: „Die EuGH-Entscheidung ist insofern erfreulich, als in Hinkunft Konzessionen für Spielbanken in einem transparenten Verfahren vergeben werden müssen. Dies hat der österreichische Gesetzgeber zwischenzeitlich aber ohnehin klargestellt“, so das niederösterreichische Unternehmen. „Wir werden uns im Zuge der Neuvergabe um Konzessionen bemühen“, kündigte Novomatic erneut an. Es gilt als so gut wie sicher, dass die Niederösterreicher eine solche auch bekommen.
bwin-Konkurrent bet-at-home.com sieht sich in dem Urteil ebenfalls bestätigt und appellierte in einer Aussendung an alle Mitgliedsstaaten die gesetzlichen Regelungen entsprechend den EU-Vorgaben zu gestalten.
Anpassungen im Gesetz
ÖVP-Finanzsprecher Günther Stummvoll betonte in einer Aussendung ebenso wie sein Parteikollege Lopatka, dass das neue Glücksspielgesetz die „Anregungen“ des EuGH bereits berücksichtige. „Die Kritik des EuGH nehmen wir natürlich auf und werden, falls es erforderlich ist, entsprechende Anpassungen im Gesetz vornehmen“, so Stummvoll.
Manuel Boka vom e-Center (europäisches zentrums für e-commerce und internetrecht“) sieht in der EuGH-Entscheidung einen „ziemlichen Systembruch für die österreichische Gesetzgebung“, da jetzt die Konzessionen nicht mehr „freihändig“ vergeben werden dürfen. Die österreichische Einstellung zum Glücksspielmonopol müsse sich ändern.
Der Experte betonte allerdings, dass sich der EuGH immer nur einzelne Rechtsfragen, diesmal um den Vergabemodus, kümmern könne. Auf das Thema Werbung für Lotto bzw. Toto sei der EuGH gar nicht eingegangen. Der deutsche Glücksspielveranstalter Ernst Engelmann, der das EuGH-Verfahren ausgelöst hat, hatte das heimische Glücksspielmonopol wie berichtet auch deshalb infragestellt, weil Lotto und Toto hierzulande intensiv beworben werden.
Grundsätzlich, so Boka, könne sich in Zukunft jeder Anbieter aus einem Unionsland an dem Vergabeverfahren teilnehmen „oder sollte zumindest die Information haben, dass eine Vergabe stattfindet“. In seinen Augen muss künftig jeder erfolglose Bewerber die Gründe für die Ablehnung erfahren.
Stickler: Entscheid „keine Überraschung“
Für Friedrich Stickler, Präsident der Europäischen Lotterien und Vorstand der Österreichischen Lotterien, ist das Urteil keine wirklich große Überraschung.“ Die Kritik der EU-Richter habe sich im wesentlichen auf die Sitzerfordernis der Konzessionswerber im Inland bezogen, und das sei durch die GSpG-Novellen „jedenfalls“ repariert worden.
Dass die strittige neue Gesetzespassage, wonach erfolgreiche Bewerber aus dem EU-Ausland „fristgerecht“ nach Erhalt der Lizenz eine Kapitalgesellschaft im Inland gründen müssen, jetzt wahrscheinlich gestrichen werden muss, sieht Stickler „durchaus ambivalent“. Mit dem Passus „sagt man, man hätte gerne die Möglichkeit, unmittelbar Kontrolle auszuüben“. Prinzipiell sei das aber „nicht die ausschlaggebende Frage.“
Zu den Lotterien enthalte das Engelmann-Urteil keine Aussagen. Stickler ist nach wie vor der Meinung, dass die Lotteriekonzession, die derzeit die Österreichischen Lotterien innehaben, nicht unbedingt ausgeschrieben werden muss. Der EuGH bevorzuge nämlich Monopole und Einzelkonzessionen, da sich damit die Gefahren des Glücksspiels besser bekämpfen ließen, so Stickler mit Verweis auf das holländische „Betfair“-Urteil vom 3. Juni 2010. Damals habe der EuGH geurteilt, dass ein Einfach-Konzessionsmodell ohne öffentliche Ausschreibung im Einklang mit EU-Recht stehe, wenn die Gesellschaft vom Staat streng kontrolliert wird.
Dies sei „politischer Konsens in Europa“. Am Montag sei er, Stickler, mit einigen seiner Kollegen beim EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier gewesen: „Wir haben dort sehr viel Sympathie für das Lotteriemonopol gehört.“ Sogar im liberalisierten England gebe es nur einen (privaten) Lotteriebetreiber, betonte Stickler.
Wie aber der österreichische Gesetzgeber die Interessentensuche für Lotterie- und Casinobetreiber „interpretiert und umsetzt, habe ich nicht zu beurteilen“.
Potente Betreiber mit Interesse
Sollte die Lotterielizenz dennoch öffentlich ausgeschrieben werden, gäbe es durchaus „sehr potente große Betreiber“ etwa aus Italien, Frankreich oder England, die Interesse zeigen könnten, sagte Stickler. Generell sieht er die Casinos-Austria-Gruppe „sicherlich gut“ auf eine mögliche Konkurrenz im Casino-Bereich vorbereitet. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass der Glücksspielkonzern Novomatic künftig auch eine Spielbankkonzession bekommt.
Wie Casinos-Austria-Rechtsvorstand Dietmar Hoscher sieht auch Stickler weder in dem heutigen Urteil noch im gestrigen EuGH-Entscheid zu deutschsprachige Länder das Ende des Glücksspielmonopols im Bereich der Lotterien. „Das ist mehr Wunschdenken als Realität“. In der Causa Engelmann sei es ja nur um die Vergabe der Casinoskonzessionen gegangen. Die Frage des Linzer Landesgerichts, das den EuGH angerufen hatte, zum Thema Lotto- und Toto-Werbung sei nicht beantwortet worden. Offenbar war für die EU-Richter dieses Thema nicht wesentlich, meint Stickler. Die Österreichischen Lotterien hätten sich bei der Werbung jedenfalls „nichts vorzuwerfen“, denn jede Kampagne und jeder Spieleinführung werde im Hinblick auf „responsible gaming“ (verantwortungsvolles Spielen, Anm.) überprüft. (APA)