Österreich – Vor EuGH-Entscheid über heimisches Glücksspielgesetz
Causa Engelmann – Vor EuGH-Entscheid über heimisches Glücksspielgesetz
Vergabe der Casinolizenzen immer noch offen – Schon 36 potenzielle Bewerber – Monopolgegner befürchten Interessentensuche nach Gutdünken
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) befindet morgen, Donnerstag, über die Rechtmässigkeit des österreichischen Glücksspielgesetzes. Unter anderem geht es darum, ob die heimischen Rechtsvorschriften gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit der EU verstossen. Der EU-Generalanwalt Jan Mazak hatte dies im Februar bejaht. Nun sind die EU-Richter am Zug, die in vier von fünf Fällen der Ansicht des Generalanwalts folgen. Von dem mit Spannung erwarteten Richterspruch hängt es ab, ob die Casino- und Lotterielizenzen in Hinkunft wirklich EU-weit ausgeschrieben werden müssen oder das Finanzministerium selbst auf Interessentensuche gehen darf.
Ausgelöst hat das Verfahren der Deutsche Ernst Engelmann, der im März 2007 vom Bezirksgericht Linz wegen Betriebs zweier illegaler Spielcasinos in Linz und Schärding zu einer Geldstrafe von 2.000 Euro verurteilt wurde. Engelmann legte beim Landesgericht Linz Berufung ein, das dann den EuGH anrief. Die Linzer Richter hatten nämlich Bedenken, ob die österreichischen Vorschriften über Glücksspiele mit EU-Recht vereinbar sind.
Generanwalt Mazak befand schliesslich im Februar 2010, dass die Gesetzespassage, wonach der Casinobetrieb ausschliesslich Aktiengesellschaften mit Sitz in Österreich erlaubt ist, gegen die Niederlassungsfreiheit der EU verstösst. Dass sämtliche Glücksspiel- und Spielbankkonzessionen auf Basis einer Regelung erteilt werden, die Bewerber aus dem EU-Ausland von der Ausschreibung ausgeschlossen hat, widerspricht nach Ansicht Mazaks dem freien Dienstleistungsverkehr.
Diese Ausführungen bezogen sich allerdings auf die alte Fassung des heimischen Glücksspielgesetzes (GSpG). Die fraglichen Passagen wurden bereits mit der im Juli 2010 in Kraft getretenen Glücksspielgesetz-Novelle 2008 repariert. Die GSpG-Novelle 2010, der ein jahrelanges zähes Ringen vorausgegangen war, wurde dann einen Monat später ausgegeben.
Wie die Vergabe der 2012 bzw. 2015 auslaufenden Spielbank- und Lotterielizenzen, die derzeit alle in Händen der Casinos Austria bzw. der Lotterien sind, in Hinkunft erfolgt, ist aber immer noch nicht ganz klar. Im Gesetz heisst es jetzt, dass die Konzessionserteilung „nach vorheriger öffentlicher und transparenter Interessentensuche durch den Bundesminister für Finanzen“ erfolgt, wobei sich auch Interessenten bewerben dürfen, die ihren Sitz im EU-Ausland haben.
Gegner des Glücksspielmonopols befürchten, dass es trotz Novellierung zu keiner Ausschreibung im eigentlichen Sinne kommt, sondern die Bewerber sozusagen weiter nach Gutdünken ausgesucht werden. „Das wurde extra so schwammig formuliert, damit der Minister die Lizenzen freihändig vergeben kann“, ätzt ein Branchenkenner. Auch in den Augen von Engelmanns Anwalt Patrick Ruth hat die Bestimmung im neuen GSpG „mit Vergabe nichts zu tun“. Wobei die Formulierung auch eine europaweite Vergabe möglich machen würde, so der Rechtsvertreter zur APA. Dass erfolgreiche Bewerber „fristgerecht“ eine Kapitalgesellschaft im Inland gründen müssen, wie es im neuen Gesetz heisst, „geht nicht“, meinte Ruth.
Im Finanzstaatssekretariat will man sich noch immer nicht in die Karten schauen lassen, sondern möchte den EuGH-Beschluss zur Causa Engelmann abwarten. Von dem Spruch erhofft man sich „konkrete Aufschlüsse über die europarechtlichen Kriterien der Konzessionsvergabe“, wie es auf APA-Anfrage erneut hiess.
Als sicher gilt schon jetzt, dass neben dem Noch-Monopolisten Casinos Austria auch der niederösterreichische Glücksspielkonzern Novomatic zumindest eine von 15 (statt bisher 12) Casinolizenzen erhält.
Dem Vernehmen nach hat es beim Finanzministerium schon 36 Anfragen nach Spielbankkonzessionen für Österreich gegeben, darunter Gesellschaften aus Griechenland und deutschsprachige Länder.
Auf die bestehenden Casinokonzessionen dürfte die Causa Engelmann keine Auswirkungen haben. Auch, wenn etwa Österreichs Automatenbetreiber gerne hätten, dass die Lizenzen der Casinos Austria „sofort eingezogen werden“, falls die EU-Richter dem Generalanwalt folgen, wie Helmut Kafka vom Automatenverband der APA sagte.
Sehr wohl könnte der Spruch aber Folgen für Betreiber (vermeintlich) illegaler Spielcasinos haben. Sollte das alte GSpG für EU-rechtswidrig befunden werden, würde dies wohl Straffreiheit für Engelmann und Co. bedeuten, ist man sich in der Branche einig. Denn Ausländer, so könnte dann argumentiert werden, hatten ja in rechtswidriger Weise gar keine Möglichkeit, an eine Casinolizenz zu kommen.
Ruth indes hält es für sehr wahrscheinlich, dass etliche, denen einen Lizenz in der Vergangenheit verwehrt wurde, gegen die Republik vor Gericht ziehen werden.
Im Fall Engelmann geht es ausserdem um Werbung für Lotto und Toto. Der Deutsche hatte nämlich das Glücksspielmonopol auch deshalb infragestellt, weil Lotto und Toto hierzulande intensiv beworben werden. Der Generalanwalt sieht darin aber im Gegensatz zu Engelmann keine Inkohärenz der österreichischen Glücksspielpolitik. Das Linzer Gericht müsse prüfen, ob die Werbung mit dem Ziel im Einklang steht, eine „attraktive“ Alternative zu verbotenen Spielen zu sein, befand Mazak im Februar. In dessen Augen spricht auch nichts dagegen, die Dauer der Glücksspielkonzessionen auf 15 Jahre festzulegen, eine Begrenzung der Laufzeit sei „unerlässlich, um mittelfristig eine gewisse Öffnung für den Wettbewerb zu gewährleisten“.
Recht nüchtern sieht Wolfgang Zankl, Universitätsprofessor für Zivilrecht und Leiter des „europäischen zentrums für e-commerce und internetrecht“ (e-center), den Fall: Der EuGH werde im Fall Engelmann und in weiteren Glücksspielcausen, über die ebenfalls diese Woche befunden wird, „grundlegende Probleme nicht lösen, sondern nur Detailfragen klären können“, wie er in einer Aussendung wissen liess. Nötig wäre nach Meinung des e-centers eine EU-Richtlinie für grenzüberschreitendes Glücksspiel, an die sich die nationalen Gesetzgeber zu halten haben. „Vorbild könnte die Telekomregulierung sein“, so Stephan Steinhofer vom e-center zur APA. (APA)