Zugriff auf Mallorca: Pechsträhne für die Glücksspiel-Abzocker
Ein deutsch-österreichisches Netzwerk verlagerte seine Machenschaften nach Mallorca – unterschätzte dabei aber die internationale Polizei-Kooperation
FRANK FELDMEIER Die 35 Kisten füllen fast den gesamten Raum im Präsidium der Nationalpolizei in Palma. „Das schicken wir jetzt alles zur Staatsanwaltschaft in Mannheim“, sagt Kommissar Antonio Cerdà sichtlich stolz. „Da werden die Kollegen ganz schön was zu tun haben.“ In den Kisten befindet sich die Beute von fünf Durchsuchungen, die die Polizei in der vergangenen Woche auf Mallorca durchgeführt hat. Es war eine konzertierte, europaweite Aktion – allein auf Mallorca wurden bei der Operation „Konglomerat“ drei Deutsche und ein Österreicher festgenommen, 40 Konten bei fünf Banken eingefroren, elf Computer und mehrere teure Autos konfisziert.
Im Mittelpunkt stehen wieder einmal Glücksspiele und Callcenter, diese befänden sich aber im Gegensatz zu anderen Fällen (MZ berichtete) nicht auf Mallorca, so Cerdà gegenüber der MZ. Die Masche: Kunden werden per Brief oder E-Mail über einen angeblichen Gewinn informiert. Um diesen in Empfang zu nehmen, müssten sie allerdings eine Bearbeitungsgebühr überweisen oder eine Hotline anrufen. In der Warteschleife der 0900-Nummern wurden dann 2,99 Euro pro Minute fällig. Kommissar Cerdà beziffert den bekannten Gesamtschaden auf knapp sechs Millionen Euro und die Zahl der mutmaßlichen Opfer auf mehr als 35.000.
Die Spur der Telefonabzocker führt in ein Gebäude in der Nähe des Krankenhauses Son Dureta in Palma. Im dortigen Bürokomplex herrscht am Freitag (1.10.) reger Betrieb: Angestellte reden, telefonieren, stehen rauchend vor dem Eingang und geben ausweichende Antworten auf die Fragen des MZ-Reporters. Man könne nichts zu einer polizeilichen Durchsuchung sagen, es sei kein Chef da, so eine Angestellte mit österreichischem Akzent. Dann kommt eine Spanierin dazu und droht mit der Polizei, wenn man nicht sofort gehe. Die Antwort, dass man dort gerade herkomme, beeindruckt sie wenig.
Das Firmenschild neben dem Eingang zeigt eine Dachfirma mit mehreren Zweigfirmen, darunter auch ein Reisebüro. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass es zur Geldwäsche diente, andere Abteilungen sollen sich um den Kundenkontakt oder die Hotlines gekümmert haben. Während die Glücksspiel-Nummern offensichtlich für eine ganze Reihe von Jobs auf Mallorca sorgten, sind Geschädigte auf der Insel laut Polizei nicht bekannt.
Durchsucht wurde außerdem eine Luxuswohnung in Palmas Stadtviertel Portitxol. Dort wohnten offenbar drei der am Dienstag Verhafteten. Der Österreicher Andreas B. sowie die Deutschen Michael H., Klaus Z. und Nicole Z. wurden laut Polizei am Donnerstag nach Madrid gebracht. Drei Verhaftete stimmten dort nach Angaben Staatsanwaltschaft Mannheim der Auslieferung zu, zwei von ihnen wurden daraufhin vorläufig auf freien Fuß gesetzt.
Da erst am Donnerstag alle Durchsuchungen abgeschlossen waren – allein in deutschsprachige Länder waren mehr als 300 Polizisten im Einsatz – wurden erst für Freitag Pressekonferenzen anberaumt. Zu diesem Zeitpunkt hatten auch der aus deutschsprachige Länder angereiste Staatsanwalt mit seinen vier Ermittlern wieder die Rückreise angetreten. Mehrere Male waren sie im Vorfeld des Zugriffs nach Mallorca gereist.
Die Ermittler sind nicht zu beneiden. Rund um den Glücksspiel-Schwindel ist ein Geflecht von wechselnden Firmennamen und Gesellschaftern gewuchert, die Blogger in Internet-Foren detailliert dokumentiert haben. Schon seit längerem aktenkundig sind die Deutschen Michael H. und Klaus Z.: Seit vielen Jahren wird gegen sie ermittelt, mehrere Verfahren wurden allerdings wieder eingestellt, weil es zum Beispiel doch irgendwo im Kleingedruckten Hinweise gab, dass man nur einen Anspruch auf einen Gewinnanteil erworben habe. Und dieser wäre in der Regel so minimal ausgefallen, dass er einem – nie ausgezahlten – Jackpot zugefallen wäre.
Das Landgericht Offenburg verurteilte die beiden sowie einen weiteren Komplizen schließlich im Februar 2009 zu Geldstrafen von je einer Million Euro und Haftstrafen von 18 Monaten – nachgewiesen wurden 38 Telefonabzock-Aktionen zwischen 2001 und 2003, in denen reißerisch aufgemachte Gewinnmitteilungen an Millionen Empfänger verschickt wurden. Das Urteil hatte aber offenbar keine abschreckende Wirkung. Zum einen wurden die Strafen zur Bewährung ausgesetzt. Zum anderen floss von der Geldstrafe, die gemeinnützigen Vereinigungen zugute kommen sollte, nach Informationen der „Badischen Zeitung“ nur rund ein Fünftel – warum, das bleibt wegen der Nichtöffentlichkeit des Bewährungsverfahrens unklar, genauso wie auch der Verbleib eines Großteils der Einnahmen über 20 Millionen Euro.
Und das Geschäft lief weiter, von Mallorca aus. Geschäftsführer vieler Firmen ist laut den Internet-Blogs der Österreicher Andreas B., um ihn herum rankt sich ein Netz aus Strohleuten, Gefolgsleuten und Dienstleistungsfirmen, das bis Santa Ponça und Santanyí, aber auch nach Offenburg, Krefeld, Bratislava und vor allem Wien reicht. Das Netzwerk zu entflechten, ist nun Aufgabe der Ermittler in deutschsprachige Länder. Die Offenburger Polizei hat schon einmal Büroräume angemietet, um die beschlagnahmten Unterlagen auszuwerten.